ein Beitrag von Diana Vogt
„Der Weg zu allem Großen geht durch die Stille“
Friedrich Nietzsche
Ommmmm....
Yoga, Meditation, Gebet, autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Thai CHI all diese Wörter verbinden wir mit Entspannung und zur Ruhe kommen.
Die Augen schließen, in sich gehen, die Stimme spüren - bei diesen Tätigkeiten kommt man wahrscheinlich nicht direkt auf die Idee das Ganze aufs Laufen zu beziehen.
Ich war nie ein Mensch der gerne mit sich und seinen Gedanken alleine war. Ich musste mich oft ablenken und bei dem Versuch zu meditieren sind meine Gedanken immer wieder abgewichen bis ich irgendwann davon abgelassen habe.
Doch kommen wir nun zum eigentlichen Thema:
Achtsames Laufen?
Die deutsche Langstreckenläuferin Hanna Tempelhagen beschreibt das so:
„Achtsamkeit ist die Fähigkeit des Menschen, mit der Aufmerksamkeit im aktuellen Moment präsent zu sein. Es ist ein Bewusstsein, bei dem Körperempfindungen, aufkommende Gedanken und Gefühle wahrgenommen und nicht bewertet werden.“
Also achtsam laufen:
Was ist das?
Kann ich mir das vorstellen?
Habe ich das selbst schon mal ausprobiert?
Die 1. Frage die sich dabei stellt ist: WARUM LÄUFST DU?
Läufst du aus Ehrgeiz? Aus Frustration? Aus Verbissenheit oder läufst du gar vor etwas weg?
Erinnerst du dich an deine Anfänge? Oder stehst du aktuell ganz am Anfang? Dieser Kampf, die ersten Kilometer - dabei ist an Achtsamkeit gar nicht zu denken.
Ich bin seit ein paar Jahren und einer ziemlich krassen körperlichen Veränderung sehr naturverbunden, denn daraus schöpfe ich viel Kraft und habe mir damit höchstwahrscheinlich einige Therapiestunden erspart. Auf meine anfänglichen Streifzüge durch den Odenwald folgten die ersten zaghaften Laufversuche.
Ich brauchte Monate um 5 km durchlaufen zu können. Beim Laufen fiel mir auf, dass ich durch die Schnelligkeit und Geschwindigkeit nicht mehr die Natur in gleichem Maße um mich herum wahrnehmen konnte. Sondern nach einer gewissen Zeit in einen tiefen Rhythmus fiel, der mich manchmal von einem Ort an den anderen brachte und ich mir gar nicht bewusst war, wie ich eigentlich dorthin gekommen bin. „Im Flow sein“ liest man da öfter - und ich liebe dieses Gefühl der völligen Leere im Kopf und des Glücksgefühls, das sich dann breit macht.
Nach diesen Läufen verspürte ich eine tiefe Entspannung und Stille. Die Erschöpfung des Ausdauertrainings und eine tiefe Zufriedenheit in meinem Inneren.
Dieses Schritt für Schritt - derselbe Ablauf - dieselben monotonen Bewegungsabläufe - diese Läufe sind meine Pilgerreisen durch meinen geliebten Odenwald geworden.
Nirgendwo kann ich besser zur Ruhe kommen, als beim Laufen im Wald. Oft mache ich bewusst eine Pause, wenn mir z.B. die Sonnenstrahlen ins Gesicht fallen oder ich halte inne, wenn ein Reh meine Straße kreuzt. Im Sommer ziehe ich auch gerne mal die Schuhe aus, um über das weiche Moos zu laufen - man kann mir da Wahnsinn unterstellen - aber mir egal - ich mag es, weil´s mir guttut.
Natürlich gibt es da auch andere Läufe - schnelle Läufe - lange Läufe - Intervallläufe - denn ich bin ja auch ziemlich ehrgeizig, wenn es darum geht, höher, schneller, weiter zu kommen und dann sind da noch Schnatterläufe mit anderen „Laufbuddies“, aber bewusst baue ich im Normalfall immer einen achtsamen Lauf pro Woche in meinen Trainingsplan ein. Das sind dann die Läufe, die glücklich machen. ohne eine neue Bestzeit geschafft zu haben oder die weiteste Strecke oder was auch immer. Verbissen an Zielen festsaugen, bringt mich auf Dauer nicht weiter, sondern mit mir im Reinen, zufrieden und glücklich zu sein und mit meinem Hobby tief verbunden.
Das ist Sekundenglück und Minutenglück und Stundenglück, das den ganzen Tag anhält.
Was braucht es nun für einen achtsamen Lauf?
Zuerst einmal den Willen und den Mut sich darauf einzulassen und eine solche Lauferfahrung nicht als lächerlich abzutun. Also sei mutig und such dir eine schöne Strecke tief in der Natur ohne Musik, ohne Verkehrslärm, ohne Ablenkung.
Du kannst dich vor dem Lauf ein wenig entspannen, wenn du das möchtest und setzt dich in eine Wiese oder unter einen Baum und nun schau dich um, was um dich herum passiert - siehst du die Biene? Oder die kleine Blume? Die Eichel oder die Kastanie? Die Ameise oder hörst du die Blätter über dir Rascheln? Im Winter ist von dieser Vorbereitung eher abzuraten, da du so schnell auskühlst. Bereite dich deshalb zu Hause auf deinen Lauf vor.
Und dann lauf einfach los ...
Nimm wahr, was du siehst, hörst und fühlst, achte auf einen ruhigen Atem und versuche tief und gleichmäßig ein- und auszuatmen - laufe bewusst langsam, sodass du nicht zu schnell außer Atem kommst. Spüre deine Atmung, achte bei Kälte auf den Dampf, den dein Atmen hinterlässt. Spüre deinen Puls und versuche deine Schritte dem Atem anzupassen. Natürlich kannst du auch auf deine Schritte achten - laufe ich gleichmäßig? Hören sich mein linker und mein rechter Fuß gleich an? Wie klingt der Boden, auf dem ich laufe? Laufe ich auf Steinen, Beton oder Waldboden? Wie kommen meine Füße auf dem Boden auf? Wenn du regelmäßig darauf achtest, kannst du sogar etwas an deinem Laufstil verbessern, wenn du das möchtest. Spüre den Rhythmus deiner Bewegungen und genieße das monotone Gefühl der Ruhe. Wenn du merkst, dass du aus deinem Rhythmus kommst, finde zurück, evtl. indem du deine Schritte für eine Weile zählst. Wenn du magst kannst du auch auf andere Umgebungsgeräusche achten - hörst du Vögel? Oder rauscht der Wind in den Bäumen? Es gibt viele Möglichkeiten den Fokus beim Laufen zu setzen. Du musst dich nur für eine entscheiden. Am besten bereits vor dem Lauf. Such dir deinen persönlichen Anker des Laufes - das Atmen, die Schritte, die Geräusche die Natur. Lass dich nicht von schlechten Gedanken davon abbringen, in deinem Rhythmus zu bleiben - natürlich werden die Gedanken ab und zu abschweifen, das ist völlig normal, aber finde wieder zurück in den Rhythmus – das kannst du. Nein, du bist nicht langsam - heute soll das so sein! Nein, aktuell ist es nicht wichtig, was bei der Arbeit ist! Nein, du musst jetzt nicht darüber nachdenken, was noch alles zu tun ist! Nein, du musst nicht auf deine Uhr achten! Nein, heute ist kein Wettkampf – kein offizieller und auch keiner gegen dich selbst! Für diesen Moment gibt es nur dich, das Laufen und die Stille in deinem Kopf. Du entscheidest wie weit du läufst, wie lange du läufst, wohin du läufst - es gibt wohl keine größere Freiheit im Sport. Mach was draus - spür dich - achte auf dich und: „Lauf dich glücklich!“
Nach deinem Lauf darfst du gerne mit einem fetten Grinsen innehalten und dir kurz Gedanken machen, wie es für dich war. Am Anfang wird dir vieles schwerfallen, denn die Kontrolle abzugeben –vor allem über die Gedanken– ist für viele Menschen heute scheinbar unmöglich. Deshalb ist achtsames Laufen oder „mindful running“ eine wunderbare Möglichkeit, dem Streben nach Perfektion für eine gewisse Zeit zu entfliehen und einfach frei zu sein. Also hör auf immer so hart mit dir selbst zu sein und genieße ab und zu ein solch glücklich machendes Lauferlebnis. Und das Tolle ist: du brauchst dafür absolut nichts, außer entsprechendes Schuhwerk. Keine Uhr, keine Apps, keine Musik, keine Ablenkung - nur DU und die Natur - eine mächtige Verbindung. Und nach ein paar dieser Läufe wirst du merken:
deine Körperwahrnehmung verbessert sich
Deine Konzentration wird besser
Du bist weniger angespannt und wirst gelassener im Umgang mit dir selbst.
Es gibt inzwischen viele Studien, die die positiven Auswirkungen von Achtsamkeit untersucht haben also wird schon was dran sein.
Probiert es aus und lasst mich wissen, wie es lief, denn ich bin sicher zufriedene und ausgeglichene Läufer sind die besseren und vor allem die gesünderen Läufer.
Diana Vogt
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